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.Offenbar hathier voriges Jahr, als mit Bombener-folg ein Napoleon-Film gespielt wurde,das Orchester die Marseillaisegespielt.Im Ufa-Palast haben dieLeute sogar derart applaudiert, dasssie unter allgemeinen Ovationendreimal wiederholt wurde.Ich wärehöchst erstaunt gewesen, wenn mir je-mand, bevor ich Paris verließ, gesagt1437/1746hätte, ich würde ganz unbefangen miteinem Deutschen vom Kriege sprechenkönnen; neulich aber hat mir HansMiller von seiner Zeit als Kriegsgefan-gener erzählt und mit den Wortengeschlossen: Vielleicht waren Siedamals noch zu klein, um sich zu erin-nern, aber diese Zeiten waren schlimmauf beiden Seiten, so etwas darf niewieder vorkommen! Ein anderes Mal,als ich zu ihm von Siegfried et le Lim-ousin sprach und meinte, das Buchwürde ihn interessieren, hat er mirgesagt es klang aber im Deutschensogar noch eindeutiger : Ist es einpolitisches oder ein menschliches1438/1746Buch? Wir haben jetzt genug von Na-tionen, von Rassen gehört, man sollteuns lieber etwas vom Menschenschlechthin erzählen. Ich glaube, dassIdeen dieser Art in der deutschen Ju-gend sehr verbreitet sind.:Hans Miller verbrachte eine Wochein Paris; er ging mit Stépha aus underzählte ihr, dass ihre Freundin sichseit ihrer Ankunft in Berlin stark ver-ändert habe; als er bei den Mabilleswar, die ihn kühl empfingen, wunderteer sich über den weiten Abstand zwis-chen Zaza und ihrer übrigen Familie.Auch sie freilich wurde sich dessen im-mer mehr bewusst.Sie schrieb mir, sie1439/1746habe vor Glück geschluchzt, als sie amAbteilfenster das Gesicht ihrer Muttererkannt habe, die sie in Berlin be-suchen kam; dennoch erschreckte siedie Vorstellung, dass sie wieder nachHause zurückkehren müsse.Lili hatteendlich ihre Hand einem Zögling derÉcole Polytechnique gereicht, undnach dem Bericht Hans Millers standdas ganze Haus auf dem Kopf.9 Ichspüre, dass zu Hause alle schon nurnoch an Heiratsanzeigen, einlaufendeGlückwünsche, Geschenke, dieEheringe, die Ausstattung, die Farbeder Kleider für die Brautjungfern (ichhoffe, ich habe nichts ausgelassen)1440/1746denken; dieses Drunter und Drübervon lauter konventionellen Angelegen-heiten macht mir keine große Lust,wieder nach Hause zu kommen, ichbin ja alle diese Dinge so gar nichtmehr gewohnt! Ich führe wirklich einschönes, interessantes Leben & Wennich an die Heimkehr denke, stelle ichmir vor allem die große Freude vor,Sie wiederzusehen.Aber ich mussIhnen gestehen, dass ich bei demGedanken erschrecke, meine Existenzvon vor drei Monaten wiederaufneh-men zu müssen.Der sehr respektableFormalismus, von dem die meistenLeute unserer Kreise leben, ist mir1441/1746unerträglich geworden, zumal, wennich an die nicht sehr fern liegendeEpoche denke, zu der ich, ohne es zuwissen, selbst ganz davon durch-drungen war, und mir angstvoll aus-male, dass ich bei der Rückkehr in denalten Rahmen diesem Geist am Endewieder erliege.:Ich weiß nicht, ob Madame Mabillesich klar darüber war, dass dieserAufenthalt in Berlin nicht das Resultatgezeitigt hatte, das von ihr damitbezweckt worden war: Auf alle Fällerüstete sie sich, ihre Tochter wiederfest in die Hand zu bekommen.Als sieeinmal meine Mutter bei einer1442/1746Abendveranstaltung traf, die sie Pou-pette zuliebe besuchte, hatte sie sichihr gegenüber sehr streng geäußert.Als meine Mutter den Namen Stéphaaussprach, hatte sie gesagt: «Ichkenne keine Stépha, ich kenne nur einFräulein Awdikowitsch, die Erzieherinbei meinen Kindern war.» Sie hattenoch hinzugesetzt: «Erziehen Sie Si-mone, wie Sie wollen.Ich habe andereGrundsätze.» Sie hatte sich über mein-en Einfluss auf ihre Tochter beklagtund zum Schluss befriedigt festges-tellt: «Gott sei Dank hängt Zaza sehran mir.»1443/1746Ganz Paris hatte in jenem Winter dieGrippe, und ich lag zu Bett, als Zazanach Hause kam; an meinem Bettrandsitzend, beschrieb sie mir Berlin, dieOper, die Konzerte, die Museen.Siewar etwas stärker geworden und hattemehr Farbe bekommen: Stépha undPradelle waren wie ich über dieseMetamorphose ganz erstaunt.Ichsagte ihr, im Oktober habe ihreZurückhaltung mich etwas beunruhigt:Sie versicherte mir fröhlich, sie habesich völlig gehäutet.Nicht nur hattensich viele ihrer Ideen gewandelt, son-dern anstatt über den Tod nachzuden-ken und nach dem Klosterleben zu1444/1746verlangen, strömte sie jetzt förmlichüber von Vitalität.Sie hoffte, die Tat-sache, dass ihre Schwester das Hausverließe, werde ihr Dasein beträchtlicherleichtern.Indessen beklagte sie LilisLos: «Das ist deine letzte Chance»,hatte Madame Mabille erklärt.Lilihatte alle ihre Freundinnen um Rat ge-fragt.«Nimm an», hatten ihr die resig-nierten jungverheirateten Frauen unddie Unverheirateten, die selbst gerneinen Mann gehabt hätten, angeraten.Zaza fühlte sich bedrückt, wenn sie dieGespräche zwischen den beiden Ver-lobten anhörte.Ohne allzu sehr zu wis-sen, warum, war sie jetzt gewiss, dass1445/1746ein solches Geschick ihr jedenfallsnicht drohe.Für den Augenblick hattesie vor, ernsthaft Violinunterricht zunehmen, viel zu lesen und sich zubilden; sie plante die Übersetzungeines Romans von Stefan Zweig.IhreMutter wagte ihr nicht die Freiheitallzu brutal wieder zu entziehen; siegab ihr die Erlaubnis, zwei- oderdreimal abends mit mir zusammenauszugehen.Wir hörten Fürst Igor,aufgeführt von der russischen Oper.Wir sahen den ersten Film von AlJolson, Sonny Boy, und eine von derGruppe 9 L Effort: organisierte Veran-staltung, bei der Filme von Germaine1446/1746Dulac gezeigt wurden: Hinterher fandeine angeregte Debatte über Stum-mfilm und Tonfilm statt.Oft am Nach-mittag, während ich in der Biblio-thèque Nationale arbeitete, fühlte ichauf meiner Schulter eine behand-schuhte Hand; unter ihrer Glocke ausrosa Filz lächelte Zaza mir zu, und wirgingen einen Kaffee trinken odermachten einen kleinen Spaziergang
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