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.Johann blickte forschend zuerst auf Madlen, dann auf seine Hand.Er machte keine Anstalten, sieihr zu entziehen, und Madlen kam es mit einem Mal so vor, als würden ihre Fingerspitzen von derBerührung seiner Haut prickeln.Sie ließ ihn los, als hätte sie sich verbrannt.»Ich habe mich wohl getäuscht«, sagte sie hastig.Sich räuspernd, trat sie zur Seite und machte sichan einem Sack mit Wacholderbeeren zu schaffen.»Übrigens habe ich mir auch eine Wachstafel undGriffel besorgt.Für den Unterricht.«»Das ist gut.« Seine Stimme klang ungewohnt rau.»Ich dachte, wir fangen heute nach der Arbeit damit an.«»Das können wir gern machen.«So, wie er das sagte, klang es nicht gerade nach uneingeschränkter Begeisterung, und mit einemraschen Seitenblick suchte Madlen in seinem Gesicht nach Anzeichen von Widerwillen.Doch seineMiene war von größtmöglicher Ausdruckslosigkeit.Gleich darauf gingen beide wieder zurück an dieArbeit, und für die nächsten Stunden war alles außer dem Bierbrauen nebensächlich.Madlen achtete an diesem Tag darauf, dass das Vespermahl pünktlich auf dem Tisch stand.Sie befahl Irmla, sich mit den Vorbereitungen zu beeilen, und anders als sonst duldete sienicht, dass das Gesinde nach dem Essen allzu lange am großen Tisch in der Stubebeisammensaß.Caspar und die Lehrjungen schauten befremdet drein, räumten dann aberbereitwillig das Feld, nachdem Madlen jedem von ihnen ein zusätzliches Stück Käse zugesteckt hatte,worüber sich indessen Irmla, die für die Verwaltung und Einteilung der Vorräte verantwortlichzeichnete, in beleidigtem Tonfall ausließ.»Wie soll ich mit dem Käse drei Tage auskommen, wenn du ihn gleich am ersten Tag an diesenichtsnutzigen Vielfraße verfütterst?«Sie hätte noch mehr dazu gesagt, doch Madlen schnitt ihr kurzerhand das Wort ab und befahl ihr,für die nächste Stunde in den Schuppen zu gehen und sich solange neben Veit ins Stroh zu setzen oderdort den Boden zu fegen oder sonst was zu machen.Am liebsten hätte sie auch ihren Großvaterhinausgeschickt, doch zu ihrer Erleichterung besaß Cuntz genug Umsicht, sich von allein in seineKammer zurückzuziehen.Mit klopfendem Herzen holte Madlen die Wachstafel und den Griffel aus ihrer Kammer.Beideshatte sie bei einem Krämer am Alter Markt gekauft, zusammen mit einem kleinen Ballen Seidenstofffür ein neues Gebende, ein unverzeihlicher Luxus.Sie hatte die Ausgabe für den Stoff schon bereut,bevor sie noch alle Münzen auf den Klappladen des Gaddems gezählt hatte.Zu Hause in ihrerKammer hatte sie die weiße Seide ausgerollt und befühlt, sie war wunderbar weich und roch blumigfrisch nach Lavendel.Bestimmt würde ein Gebende aus diesem Stoff sie gut kleiden.Madlen besaß keine rechte Vorstellung davon, wie sie aussah.Von jeher hatten alle gesagt, sie seihübsch, vor allem Konrad, der niemals müde geworden war, ihr zu beteuern, wie schön er sie fand.Madlen hatte bislang nur selten den Wunsch verspürt, sich selbst ins Gesicht zu sehen, so wie esvornehme Damen taten, die polierte Spiegel aus Silber oder Kupfer besaßen.Doch neuerdings hättesie zu gern gewusst, wie sie in den Augen anderer wirkte.Sie verfluchte sich stumm, während sie mitihrem neu erworbenen Schreibgerät die Stiege hinabkletterte und sich an den Tisch setzte, wo Johannschon auf sie wartete.»So geht es leider nicht«, sagte er.Verständnislos blickte sie auf.»Was meinst du?«»Du musst neben mir sitzen.Sonst kann ich dir nicht zeigen, wie es geht.«»Ach so.« Errötend erhob sie sich von der Bank und ging um den Tisch herum.Widerstrebendnahm sie auf dem Schemel neben ihm Platz.Er war ihr so nah, dass sie den Geruch seines Körperseinatmete, nach Rauch, Malz, Kräutern, einem Hauch Harz und nach etwas Urtümlichem,Verwirrendem, das sie dazu brachte, nervös auf dem Schemel herumzurutschen.»Hier ist die Tafel«, sagte sie überflüssigerweise.»Was willst du zuerst lernen, die Zahlen oder die Buchstaben?«»Was geht denn schneller?«»Die Zahlen.Noch schneller ginge es, wenn du ein Rechentuch hast, dann kann ich dir mit denSteinen demonstrieren, wofür die einzelnen Ziffern stehen.«Sie sprang auf und rannte nach oben, um ihr Rechentuch zu holen, ein ansehnliches Stück ausgrünem Samt, eingefasst mit einer bestickten Borte.Sie faltete es auseinander und legte es vor sichauf den Tisch.Die Calculi befanden sich in einem kleinen, intarsienverzierten Kästchen, eine Arbeitvon Cuntz, die er vor vielen Jahren für seine Tochter angefertigt hatte Madlens Mutter, diegestorben war, als Madlen zehn Jahre alt gewesen war.»Ein schönes Tuch«, sagte Johann.Madlen nickte nur schweigend.Johann zog die Tafel zu sich heran und schrieb eine Ziffer.»Das ist eine Eins.« Es sah aus wie eineinfacher Strich, das war leicht.»Weiter«, sagte sie.Johann schob einen der Calculi auf dem Tuch zurecht.»Eins«, erläuterte er, zuerst auf die Zifferund dann auf den kleinen Kalkstein deutend.»Ja, ja«, sagte sie voller Ungeduld.»Ich hab s begriffen.Bring mir die nächste Zahl bei.«»Na gut.Hier ist die Zwei.« Johann malte eine weitere Ziffer auf die Tafel und schob einen Steinzu dem ersten.Madlen blickte die Zahl konzentriert an, dann nickte sie.»Die nächste.«»Die Drei.« Eine weitere Ziffer, ein neuer Stein.Er schob ihr die Tafel hin.»Hier.Schreib sie ab, damit du ein Gefühl dafür bekommst.«Madlen ergriff zögernd den Griffel.Ihre Hand, sonst immer so geschickt und flink im Umgangsowohl mit feinem als auch grobem Gerät, kam ihr mit einem Mal seltsam plump vor.Es machte siewütend, dass die Ziffern, die sie abzumalen versuchte, krumm und schief gerieten und von allzuunterschiedlicher Größe waren.Dabei hatte es bei Johann so spielerisch und fließend ausgesehen.Siewar drauf und dran, den Griffel an die Wand zu werfen.»Schreib ein paar Reihen«, schlug er vor.»Es wird immer einfacher, von Mal zu Mal.«Sie beugte sich über die Tafel, schob angestrengt die Zunge in den Mundwinkel und tat wiegeheißen.Johann hatte recht, je mehr Zahlen sie niederschrieb, umso leichter ging es ihr von derHand.»Jetzt die nächsten drei«, verlangte sie, bevor sie ihm die Tafel wieder zuschob
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